Die Geschichte des Ortsgewerbeverein Groß-Umstadt

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Die Geschichte des Ortsgewerbevereins Groß-Umstadt; gegründet 1849
Am 23. Juli 1849 wurde vom Umstädter Handwerk und Handel der „ Lokalgewerbverein" gegründet.

Die Gründung erfolgte auf der Grundlage der allgemeinen Statuten für Gewerbevereine im Großherzogtum Hessen und diente dazu, so die Statuten „die Bedürfnisse des ansässigen Gewerbestandes zu erforschen, Vorschläge zur Verbesserung gewerblicher Zustände und zur Vermehrung der Erwerbsquellen zu machen". Weiter Hauptaufgabe sollte die Förderung des gewerblichen Schulwesens auf örtlicher Ebene sein. Erster Vorsitzender des Gewerbevereins war der Schreinermeister B. Wirwatz.

Mit einer Anzeige im Wochenblatt des Regierungsbezirkes Dieburg vom 27. Juli 1849 wurde die Gründung bekannt gegeben verbunden mit einem Aufruf an die Umstädter Gewerbetreibenden und Handwerker, dem Verein beizutreten. Über den Erfolg dieses Aufrufes und die Entwicklung des Vereins in den nächsten rund 40 Jahren ist nichts bekannt.

Erst wieder im Jahre 1887 finden wir in der Ausgabe vom 22.10. des Odenwälder Boten einen Artikel mit dem Hinweis, daß der Lokalgewerbeverein eine Liste unter den ortsansässigen Handwerkern und Gewerbetreibenden in Umlauf geben werde, mit dem Aufruf dem Verein beizutreten.

Der Verein war durch lange Inaktivität auf nur 18 Mitglieder abgeschmolzen und sollte nun reaktiviert werden. Zum ersten Vorsitzenden wurde der Schneidermeister August Staab gewählt. Unter seiner Führung wurden Anfang des Jahres 1900 die Statuten des Vereins zur Anpassung an veränderte rechtliche und tatsächliche Verhältnisse überarbeitet. Mit dem Verein wurde auch die Gewerbeschule wieder belebt, die ebenfalls 1849 gegründet worden war, und bereits im Dezember 1887 fand in der Gewerbeschule wieder Unterricht statt.

Der neue Vorstand des Vereins entfaltete erhebliche Aktivitäten und so war schon einem Bericht des Odenwälder Boten vom 8.1.1887 zu Folge eine Reihe von Vorträgen externer Spezialisten für die berufliche Information und Weiterbildung von Handwerk und Handel vorgesehen, die von der Großherzoglichen Zentralstelle für Gewerbe in Zusammenarbeit mit dem Lokalgewerbeverein durchgeführt werden sollte. Über die nächsten 10 Jahre ist wenig bekannt.Aus dem Bericht über die Generalversammlung für die Jahre 1894 bis 1896 vom 3.2.1897 des nun schon als <" bezeichneten Vereins ist jedoch zu entnehmen, das umfangreiche Vortragsaktivitäten mit auswärtigen Referenten zu vielen handwerklichen Themen stattgefunden hatten.

Die Themen waren unter anderem die Kellerbehandlung des Weines, das elektrische Licht, der elektrische Telegraph, das Nebeneinander von Industrie, Handwerk und Kleingewerbe sowie politische Themen wie Zwangsinnungen und Gesetzesänderungen, die das Handwerk betrafen, wie z.B. das Weingesetz vom 20.4.1892. Der Verein hatte damals 72 Mitglieder; Schneidermeister Staab wurde wieder zum Vorsitzenden gewählt. Schon damals kämpfte man mit den Rahmenbedingungen für die gewerbliche Wirtschaft im Standort Deutschland.

Daher berief der Ortsgewerbverein für den 6.3.1897 eine Handwerkerversammlung ein, an der ca. 80 Handwerker teilnahmen. Gegenstand der Versammlung war ein Gesetz vom 26.7.1897, das den Zweck haben sollte, den Niedergang der selbständigen Handwerkerschaft aufzuhalten und das Handwerk in Deutschland zu fördern. Dieses sei durch die zunehmende Industrialisierung und die damit verbundene Mechanisierung von Handwerksleistungen gefährdet und rückläufig. Als Abhilfe wurden Handwerkerzusammenschlüsse in Form von Handwerkskammern eingerichtet.

Dabei gingen jedoch die Meinungen über Zwangsinnungen – wie sie in Norddeutschland gegründet werden sollten – und freiwillige Handwerksvereine in Süddeutschland auseinander. Schließlich wurden jedoch beide Formen als Basisorganisationen für die übergeordneten Handwerkskammern anerkannt. Weiterhin beinhaltete das Gesetz erschwerende Bedingungen für den Erwerb des Handwerksmeister- titels sowie Regelungen über die Ausbildungsverträge und die Ausbildung der Handwerksgesellen, um die Qualifikation des Berufsstandes zu verbessern und die Qualität der Handwerksleistung sicherzustellen.

In diese Zeit fällt auch des 50-jährige Bestehen des Ortsgewerbevereins und der Handwerkerschule. Schon im Jahre 1898 begann der Verein mit der Vorbereitung der beiden Jubiläen. Diese sollten im Jahre 1899 durch eine regionale Industriemesse gewürdigt werden, in der die Erzeugnisse des Umstädter Gewerbewesens ausgestellt werden sollten Im Laufe der Vorbereitungen wurde der Rahmen erweitert, so daß sich daraus die Jubiläums-Provinzial-Messe entwickelte, die vom 30. Juli bis 17. September 1899 durchgeführt wurde und auf der die Produkte des gesamten südhessischen Gewerbes ausgestellt wurden.

Die Ausstellung ist als ein großer Erfolg des Ortsgewerbevereins anzusehen. Sie fand Anerkennung bis in die hessischen Regierungskreise, was dadurch dokumentiert wurde, daß der damalige Landesherr Großherzog Ernst Ludwig mit hochgestellten Persönlichkeiten der Erbacher Fürsten die Ausstellung besuchte.Der Ausstellung ist auch zu verdanken, daß der Verein ausreichende Mittel erwirtschaften konnte, um einen großen Teil des Kapitalbedarfs für die Errichtung der Gewerbeschule im Jahre 1904 finanzieren zu können.

Zu dieser Zeit zählte der Verein 116 Mitglieder. Bis wann Schneidermeister August Staab Vorsitzender des Vereins war, ist nicht mehr nachzuvoll-ziehen. Als gesichert gilt jedoch, daß er den Verein in der Blütezeit von 1887 bis zur Einweihung der Gewerbeschule im Jahre 1904 führte. Danach sind außer einem Artikel im Odenwälder Boten vom 30.7.1904 mit einer kurzen Rückschau auf die Provinzial-Ausstellung sowie einigen Anzeigen über Gesellenprüfungen in der Gewerbeschule bis in die 30'er Jahre keine Aktivitäten überliefert.

Im Oktober beging man eine Reichshandwerkerwoche mit großen Festzug und im August 1935 wurde noch eine Handwerks- und Gewerbemesse in Groß-Umstadt durchgeführt. Ausstellungsräume waren in der Volksschule, der Realschule und in der Gewerbeschule.Das Jahr 1937 brachte das „Aus" für den Ortsgewerbeverein. Am 11.1.1937 beschloß die General-versammlung, an der 24 Mitglieder teilnahmen, die Auflösung des Vereins und den Verkauf der Gewerbeschule an die Stadt Groß-Umstadt. Bis 1950 ruhte der Verein.

In diese Zeit fällt auch das 100-jährige Jubiläum. Aus dem Jahr 1951 weis man, daß es unter Vorsitz von Otto Schäfer einen Zusammenschluß gewerblicher Berufsstände gab. In diese Zeit fallen auch die ersten Bemühungen zur Rückgabe der Gewerbeschule sowie ein Anstieg der Mitgliederzahl und der Bedeutung des Vereins. Im Dezember 1951 folgte Johann Ludwig Walter als erster Vorsitzender des Vereins bis Februar 1995. In den Jahren nach dem Krieg veränderte sich der Sinngehalt des Vereins. Die Zentralisierung und Verlagerung des handwerklichen Ausbildungs- und Prüfungssystems auf die Innungen und die Handwerkskammern sowie das Erstarken der Industrie- und Handelskammern führte dazu, daß der Verein umfangreiche Aufgaben verlor.

Die Aktivitäten verlagerten sich mehr auf die Mitsprache in der Kommunalpolitik bei der Gestaltung der örtliche Rahmenbedingungen für Handwerk, Handel und Dienstleistung. Themen waren und sind noch immer die Verkehrs- und Stadtplanung in der Kernstadt, der Ausweis von Gewerbegebieten an der Peripherie der Stadt, die Ansiedlung von auswärtigen Gewerbebetrieben und insbesondere der Zuzug von Supermärkten. Viel Arbeit wurde und wird investiert in gemeinsame Aktionen des örtlichen Gewerbes, um Groß-Umstadt für die Bürger der Stadt aber auch für touristische Kunden als Einkaufsstadt zu erhalten und zu besonderen Anlässen wie dem Johannesmarkt, dem Winzerfest oder der Weihnachtszeit attraktiver zu machen.

Das örtliche Gewerbe soll durch gemeinsame Werbung, periodische Ausstellungen und Märkte, Oster- und Weihnachtsaktionen gestärkt und im Umland bekannt gemacht werden. All diese Themen und viele mehr waren Anliegen der Vorsitzenden Karl Heimer, der den Verein von 1955 bis Februar 1979 führte und Georg Frieß, der vom Februar 1979 bis Februar 1991 dem Verein vorstand und in dessen Amtszeit die erste Aktion gegen die Ansiedlung eines Supermarktes in Groß-Umstadt in den Jahren 1979 und 1980 fiel. Nicht zu vergessen ist Notar Jörg Richter, der vom Februar 1991 bis April 1995 den Vorsitz innehatte.

Mit den gleichen Themen mußte sich auch der ehemalige Vorstand bestehend aus den Herren Peter Schubert, Wolfgang Seippel und Joachim Bromma auseinandersetzen. Als besonderer Verdienst fällt in ihre Amtszeit die Abwehr der Ansiedlung eines Globussupermarktes am Semder Eck, der nicht nur verheerende Auswirkung für die Umstädter Einzelhändler gehabt hätte, sondern für die ganze Region nicht überschaubare wirtschaftliche Nachteile mit sich gebracht hätte. Die Erhaltung und Förderung des regionalen Gewerbes wird heute durch anhaltend starken Wettbewerbsdruck der Supermärkte, die steigende Mobilität der Kunden, die hohe Arbeitslosigkeit sowie die schwindende Kaufkraft wegen immer höherer Steuern erheblich erschwert.

2010 wurde nach 5 langen Jahre der Nachfolgersuche ein komplett neuer Vorstand gewählt. Die neun neuen Mitglieder haben sich vorgenommen die Aktivitäten des Vereins branchenübergreifender zu organisieren.
Die Organisation wurde schlanker. Der Adventsmarkt wird seit vielen Jahren erstmals wieder vom Ortsgewerbeverein organisiert und die Gewerbeschau erhielt mit dem Frühlingsmarkt und dessen Verschiebung auf Mai einen neuen Platz.

Die Zeiten haben sich geändert und darauf wird sich der Ortsgewerbeverein mit seinen vielen Mitgliedern einstellen. Es gilt im Sinne des Wirtschaftsstandortes Groß-Umstadt zu handeln.

Dazu wird der Ortsgewerbeverein seinen Beitrag auch weiterhin leisten.

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