HANGLAGE UND BÖDEN
Umstädter Wein gedeiht auf traditionsreichen Lagen
Auf der „Odenwälder Weininsel", wie das Weinanbaugebiet rund um Groß-Umstadt liebevoll genannt wird, hat der Weinbau Dank des günstigen Klimas eine lange Tradition - länger, als die Stadt selbst. Diese wird 743 erstmals erwähnt; der Wein kam jedoch wohl schon mit den Römern hierher. Seitdem ist die Geschichte des Umstädter Weinbaus geprägt durch ein reges Auf und Ab.
Erst aus dem elften Jahrhundert gibt es schriftliche Zeugnisse für den Weinanbau in Groß-Umstadt. Anfang des 17. Jahrhunderts lieferten 145 Hektar Weinbaufläche ca. 4.750 Hektoliter Wein – nach dem 30-jährigen Krieg waren es gerade einmal noch vier Hektar bewirtschaftete Fläche.
Erst um 1730 erreichte die Anbaufläche wieder annähernd den Vorkriegszustand, ging jedoch im 19. Jahrhundert durch eine Umnutzung zu Acker- und Obstbaumflächen im Zuge von Industrialisierung sowie Schädlingsbefall wieder stark zurück. So hatte z. B. die Rebpilzerkrankung, die 1870 von Amerika eingeschleppt worden war, zu einer Dezimierung der Weinberge geführt. Währendm einige Winzer ihre Weinberge mit neuen Anbaumethoden wieder anlegten, wandelten andere diese in Streuobstwiesen um. Eine Wiedergeburt erlebte der Weinbau in Groß-Umstadt nach dem Zweiten Weltkrieg.
Die Lagen der Odenwälder Weininsel
Der Bereich Umstadt gehört zum Weinanbaugebiet Hessische Bergstraße und umfasst insgesamt fünf Einzellagen. Die Stadt Groß-Umstadt ist dabei der Namensgeber für den Bereich, da drei der Weinlagen, der Stachelberg, das Steingerück und der Herrnberg, in ihrer Gemarkung liegen. Ebenfalls zur „Odenwälder Weininsel" gehören auch noch der Roßdorfer Roßberg und
der Dietzenbacher Wingertsberg.
Auf einer potentiellen, genehmigten Anbaufläche von insgesamt 99,5 Hektar werden 32 Rebsorten angebaut - 13 Rot- und 19 Weißweinsorten. Von den bestockten 80 Hektar Gesamtfläche werden ca. 65 Hektar von der Odenwälder Winzergenossenschaft vinum autmundis bewirtschaftet, ca. 15 Hektar von selbstvermarktenden Winzern. Obwohl die Anbaufläche auf der „Odenwälder Weininsel" eher gering ist, finden sich die Weine regelmäßig auf vorderen Plätzen bei Weinprämierungen auf Bundes- und Landesebene. Dabei begünstigt das im Vergleich zur restlichen Bergstraße eher kühlere Klima frühreife Rebsorten wie Müller-Thurgau und Silvaner bei den Weißweinen und Frühburgunder bei den Rotweinen.
Herrnberg, Stachelberg und Steingerück
Geologisch gesehen wird die Gegend um Groß-Umstadt dem „Böllsteiner Odenwald" zugeordnet, der größte Teil der Weinberge befindet sich auf dem Vulkangestein Quarzporphyr.
Die mit 40 Hektar größte Anbaufläche findet sich am Umstädter Herrnberg in west- bis südexponierter Lage. Der Boden besteht im Wesentlichen aus Quarzporphyr und ist nur im östlichen Teil von tiefgründigem Löss überlagert. Hier gedeihen in Kuppennähe eher genügsamere Sorten wie Riesling, weiter südlich dann anspruchsvollere Sorten wie Spätburgunder oder andere Rotweinsorten mit vollem und fruchtigem Aroma.
Im ehemaligen Steinbruch am Knosberg wird der Quarzporphyr von einem Barytgang durchzogen. Baryt wurde zwischen 1839 und 1931 vor allem in Klein-Umstadt, wo sich die größten Vorkommen Hessens befanden, abgebaut. Dabei wurden beachtliche Barytkristalle gefunden, die z. T. heute noch im Frankfurter Senckenbergmuseum zu bestaunen sind.
Ein besonderes Highlight ist die Steinbornshohl, die tiefste und engste Lösshohl Hessens, mit einer Länge von 800 Metern und einer Tiefe von 14 Metern. Früher war sie ein alter Wirtschaftsweg, der von Groß-Umstadt nach Obernburg führte, heute ist es ein Paradies für die heimische Flora und Fauna. Die Böden in Steinbruchnähe können aufgrund ihres hohen Steingehaltes Wasser nur ungenügend zurückhalten. Daher sind sie für trockenstresstolerante Rebsorten wie beispielsweise den Riesling geeignet. Je nach Bodenart braucht man für Weinbau pH-Werte zwischen 5,5 und 7,0. Während der pH-Wert im Weinberg im Neutralbereich (pH 6,0 bis 7,0) liegt, zeigt der Waldboden nur wenige
Schritte entfernt mit dem pH-Wert 4,0 eine deutliche Versauerung an.
Die höheren pH-Werte in den Weinbergen erreichen die Winzer u. a. durch ein regelmäßiges tiefes Umgraben sowie weitere Boden pflegende Maßnahmen.
Am Umstädter Stachelberg gibt es 21 Hektar Anbaufläche, zum Großteil in Südlage. Der Boden der Bergkuppe ist von Granit geprägt, von Gneis überlagert und wegen der sauren, flachgründigen und steinigen Böden von zeitweiliger Austrocknung betroffen. Daher sind diese eher für Riesling und Chardonnay geeignet. Austrocknung war früher auch ein Thema im westlichen Teil der Südlage, nicht mehr jedoch seit mit der Flurbereinigung 1971 die alten Terrassen beseitigt und Erde aufgefüllt wurde. Der Rest der Lage ist von tiefgründigem, kalkhaltigem Lösslehm überlagert, auf dem auch Sorten wie Spätburgunder, Silvaner oder Müller-Thurgau gedeihen, die nährstoffreicheren Boden benötigen.
Die Lage Steingerück weist 13,8 Hektar bestockte Fläche in südwestbis südostorientierter Lage auf. Der Boden besteht auch hier überwiegend aus Quarzporphyr, im östlichen Teil ebenfalls von tiefgründigem Löss überlagert. Die Weine des südöstlichen Teils fallen würziger aus, die des westlichen Teils fruchtbetonter und runder.
Roßdorf und Dietzenbach
Zwei weitere, ebenfalls zum Bereich Umstadt gehörende Weinlagen, befinden sich am Roßdörfer Roßberg sowie am Wingertsberg in Dietzenbach. Am Westhang des wenig bewaldeten Roßbergs am Südostrand von Roßdorf, der überwiegend aus Basalt-Untergrund besteht, werden ca. 4,5 Hektar mit Weinreben bewirtschaftet. Die Böden hier sind sehr gut für den Anbau von Burgunder- und Rotweinsorten geeignet. Am Wingertsberg in Dietzenbach wurde bis ins 18. Jahrhundert und nun wieder seit den 1960er Jahren Wein angebaut - die Trauben im Stadtwappen erinnern an diese Tradition. Der kleine Weinberg, auf dem u. a. Grauburgunder angebaut wird, gehört geologisch nicht mehr zum Odenwald, zählt aber weinbaulich zum Umstädter Gebiet.
Die Umstädter Weinlagen wachsen
Nach der Genehmigung von 20 Hektar weiterer Anbauflächen Ende 2010 wird auch Kleestadt wieder zu einem Weinbauort werden. Damit möchte man in Zukunft die stetig wachsende Nachfrage nach den qualitativ hochwertigen Umstädter Weinen befriedigen. Daraufhin wurden in einem neuen Wingert oberhalb des Pferdsbachtals bei Heubach neue Riesling- und Grauburgunder-Rebstöcke gepflanzt. Von der Winzergenossenschaft wurden bis dato ca. 50 Hektar bewirtschaftet, dazu die 15 Hektar von selbst vermarktenden Winzer. Die Erweiterung bedeutete daher eine Steigerung um 30 Prozent, die allerdings nur schrittweise umgesetzt werden kann, da für manche der Flächen noch langfristige Pachtverträge bestehen.
Die Weinlagen selbst erkunden
Wer die Umstädter Weinlagen einmal selbst in Augenschein nehmen sowie Landschaft und Wein „persönlich" kennenlernen möchte, der kann dies zum Beispiel im Rahmen einer Weinbergsrundfahrt tun – ganz romantisch in einem Planwagen – oder bei einer Weinlagenwanderung.
Letztere wird jedes Jahr vom OWK Groß-Umstadt angeboten, die nächste am 31. Mai 2015. Dabei können die Teilnehmer zwischen vier Wanderrouten, von fünf bis 14 Kilometer, durch die drei Weinbergslagen Herrnberg, Stachelberg und Steingerück wählen. In den Lagen sind Weinstände aufgebaut, an denen Proben des edlen Getränkes ausgeschenkt und Erklärungen zu Wein, Landschaft und Kultur gegeben werden. Wer gern auf eigene Faust Weinwandern möchte, dem sei der Groß-Umstädter Weinlehrpfad ans Herz gelegt. Dieser größtenteils befestigte Weg führt auf einer Länge von etwa zwei Kilometern (ca. eine Stunde Dauer) durch die Weinlage Herrnberg. Zwölf Themenstationen und elf Rebsortentafeln informieren dabei über Weinanbau, Rebsorten, Geologie und lokale Geschichte. Auf den Thementafeln sind auch immer spezielle Informationen für die jüngeren Gäste enthalten. Belohnt wird der Wanderer zudem mit einem wundervollen Blick über die Odenwälder Weininsel.