DIE WEINMACHER
WEINHERSTELLUNG GESTERN UND HEUTE
Der Wein ist fest verwurzelt mit Groß-Umstadt und damals wie heute wird er vor allem regional getrunken. Bei aller Tradition hat sich im Laufe der Zeit aber die Art und Weise verändert, wie der Wein auf der Odenwälder Weininsel ausgebaut wird.
Die Weinrebe stammt ursprünglich aus dem Mittelmeerraum – sie mag es weder zu heiß noch zu kalt. Klassische Weinanbauländer sind daher schon aufgrund des entsprechenden Klimas Griechenland, Italien, Spanien, Portugal oder der Norden Afrikas. Trauben gepresst wurden schon vor 8000 Jahren: So wurde 1969 bei Damaskus eine Frucht- und Traubenpresse dieses Alters gefunden. Ob der Saft jedoch auch vergoren und damit zu Wein gemacht wurde, kann man nicht sagen. In jedem Fall waren aber die Griechen und Römer Weintrinker – schließlich hatte der Rebensaft bei ihnen sogar einen eigenen Gott: Dionisos und Bacchus.
Mit den Römern wurde der Weinbau vermutlich auch nach Groß-Umstadt gebracht, eindeutig belegt werden kann dies aber nicht. Erste schriftliche Hinweise auf Weinbau in dieser Gegend entstammen Dokumenten des Klosters Fulda, damals Grundherr Umstadts, aus der Zeit um 775. Ab 1223 ist der Umstädter Weinbau schließlich durchgehend dokumentiert. Ausführlich hat sich beispielsweise auch Franz Huber, der sowohl im Weinbauverein aktiv ist als auch zur Umstädter Runde des Gruberhofes gehört, mit der Geschichte des Umstädter Weinbaus beschäftigt, nachzulesen in „Autmundisstat, Beiträge zur Geschichte 2007/2008".
Anbaumethoden vor 375 Jahren
Die Anbaumethoden im Weinberg haben sich bis heute eigentlich nicht geändert. Schon der Umstädter Kunkel'schen Chronik von 1640 kann man die wichtigen Arbeitsschritte entnehmen. Im Jahr begann man mit dem „Aufziehen", dem Weghacken der Erde, die als Frostschutz um die heruntergebogenen Rebstöcke lag, und dem „Räumen", der Entfernung von Tau- und Tagwurzeln sowie den Weinbergspfählen. Anschließend erfolgten das „Schneiden" und das „Reblesen", das Hinaustragen des Rebholzes. Im nächsten Schritt wurden die „Pfähle gesteckt", die man bereits im Winter repariert und gespitzt hatte. Danach galt es die Fruchtruten an den Pfahl zu binden, fehlende Rebstöcke durch „Säncken" zu ersetzen. Beim „Krauten" wurde das Unkraut entfernt, was nicht zuletzt die „erste Hacke" erleichterte. Das „(Er)Brechen" kann dem heutigen Ausbrechen gleichgesetzt werden, womit die Anzahl der grünen Triebe begrenzt wurde. Die verbliebenen wurden bei der „ersten Heffte" mit jungen Weidentrieben an den Pfahl gebunden, woraufhin wieder ein Unkraut entfernt und der Boden gelockert wurde, bevor in der „zweiten Heffte" die nun weiter gewachsenen Triebe erneut festgebunden wurden. Nach einer „dritten Kraute" und „dritten Hacke" folgte das „Verhauen", das Einkürzen der Triebe auf Mannshöhe (heute „Gipfeln" genannt). Nach der „Traubenlese" endete die Arbeit im Jahr mit dem „Pfahlziehen", dem „Düngen", dem „Decken" der Reben sowie dem „Steinlesen/Roden".
Die Weinlese
„Früher wurde ganz klar mit der Hand geerntet, es gab keine Alternativen", erklärt Oliver Schröbel, Geschäftsführerder Odenwälder Winzergenossenschaft „vinum autmundis"(OWG). „Seit rund 15 Jahren werden Vollernter eingesetzt, welche die Trauben von den Rebstöcken schütteln." Bei der Odenwälder Winzergenossenschaft werden ca. 75 Prozent derTrauben mit der Maschine geerntet, die restlichen 25 Prozentnoch klassisch von Hand. Diese Aufteilung ergibt sich aus der Struktur der Wingerte und dem wirtschaftlichen Konzept derWeinbauer. Etwa 85 Prozent sind Kleinstwinzer, die aber nur25 Prozent Rebfläche haben und aus Freude und Hobby heraustraditionell mit Familie, Freunden und Bekannten in geselligerForm die Trauben ernten. Auch die Trauben für die Bioweinewerden per Hand gelesen, wobei dies nicht zwingend notwendig wäre. „Die Maschine, welche bei der OWG zum Einsatz kommt, ist eine der neuesten Generation", so der OWG-Geschäftsführer weiter. Sie erntet schonend auch für die Rebstöcke und sorgt für ein hervorragendes Lesegut, da die Trauben nicht beschädigt werden. Sie benötigt für einen Hektar ungefähr zweieinhalb bis drei Stunden - 180 Arbeitsstunden würde man für die gleiche Fläche bei der Handlese benötigen." Dieser Zeitvorsprung mache sich besonders bei schlechtem Wetter oder überreifen Trauben bezahlt.
Die Odenwälder Winzergenossenschaft
Nachdem die Umstädter Winzer ihren Wein immer selbst in ihren Kellern ausgebaut hatten und als Haustrunk verwendeten, wurde schließlich 1959 die Odenwälder Winzergenossenschaft gegründet. Unterstützung für das Vorhaben gab es von der Stadt, die den Winzern Nebengebäude und Kellerräume des Pfälzer Schlosses für einen symbolischen Preis überließ. Nun wurden die Trauben zentral in der Genossenschaft abgegeben und dort ausgebaut. „In den Anfängen der Genossenschaft wurde mit Holzfässern gearbeitet, genauso wie auch schon vor 100 Jahren", erzählt Oliver Schröbel und ergänzt: „Davor waren es übrigens Tonfässer. Heute geschieht es fast ausschließlich in Edelstahltanks." Es werden heute noch Weine im Holzfass – auch aus Umstädter Eiche – ausgebaut, z. B. verschiedene Rotweine. Auch die Pressen haben sich geändert. Früher gab es Spindelpressen, Baumbzw. Korbkeltern. Die Trauben kamen in einen runden Bottich aus Eichenholz und eine Spindel wurde nach unten gedreht, so dass Saft herausgepresst wurde und unten herauslief. Das war sehr jedoch mühselig und sorgte für viele Trübstoffe im Most. Heute finden überwiegend pneumatische Pressen Verwendung, die sehr schonend mit 0,2 bis maximal 2,0 bar Druck arbeiten. Das ganze Prozedere wird dabei mehrmals wiederholt. Durch das behutsame Anpressen ist der Most klarer und sauberer, was Vorteile für die Weiterverarbeitung bringt.
Modernes Arbeiten im Weinkeller
Vor 100 Jahren hat man die Trauben geschüttet, was für die Trauben schonend war, für die Weiterverarbeitung jedoch nicht. Die Traubenannahme wurde seitdem mehr und mehr mechanisiert. Bis vor 15 Jahren arbeitete man noch viel mit Pumpen, was die Trauben in Mitleidenschaft zog, dafür war das Pressen aber schonender. Heute versucht man wieder die Trauben zu schütten und trotzdem schonend zu pressen. Sie werden nur noch einmal gepumpt, denn je weniger die Trauben gepumpt werden, desto geringe Gerbstoffeinträge finden durch die ebenfalls geringere mechanische Belastung statt. So können die Weine feiner werden. Auch die Kellertechnik hat sich im Bereich der Filtration verändert. Oliver Schröbel erklärt: „Früher, bis vor zehn, 15 Jahren, hat man mit einem Separator gereinigt, bis vor 100 Jahren ging es noch ausschließlich mittels Sedimentation über Nacht, um den Most einigermaßen zu klären. Dann hat man eine sogenannte Spontangärung vollzogen." Auch heute wird noch nach wie vor die Sedimentation genutzt, darüber hinaus kommen für jungen Most noch so genannte Tuchfilter zum Einsatz, um ihn von der Trübung zu befreien. Dann werden spezielle Reinzuchthefen für Riesling, Burgunder usw. zugesetzt, um das Fruchtaroma der einzelnen Sorten zu fördern. Während früher oftmals Schichtenfilter für die Jungweinfiltration zum Einsatz kamen, wird heute mehr mit Membrantechnik gearbeitet. Letztere hat den Vorteil, dass sie auch „rückwärts gespühlt" und wiederverwendet werden kann. Auch das Thema Analytik spielt heute eine größere Rolle als früher. Die Weine werden vor dem Abfüllen labortechnisch untersucht. Vor dem Verkauf und der Vergabe einer amtlichen Prüfungsnummer muss ein amtliches Weinlabor die Analysewerte vorlegen zwecks Bestimmung wichtiger Werte wie Alkohol-, Säure-, Restzucker- oder Schwefelgehalt. Letztere hat beispielsweise Auswirkungen auf den Oxidationsschutz des Weines. Änderungen und Weiterentwicklungen gibt es auch beim Füllen der Flaschen. „So vor 100 Jahren", erzählt Oliver Schröbel, „wurde vor allem am Fass abgezapft und ausgeschenkt. Das Problem bei krugweisem Zapfen ist, dass die Luft den Wein verändert. Heute wird mit modernsten Füllgeräten gearbeitet, die hier eine Stundenleistung von 1.800 Flaschen haben." Die heutigen Flaschen werden zu 80 Prozent mit Schraubverschluss versehen. Der Glasverschluss mit Silikonring ist derzeit völlig aus dem Trend, nicht zuletzt aufgrund des hohen Preises. „Wir sagen, wir wollen unsere Kundschaft nicht veräppeln", meint Oliver Schröbel schmunzelnd. „Deswegen kommt ein richtiger Korken auf die Flasche, kein Plastikkorken. Für den Schraubverschluss spricht u. a., dass sich der Wein nicht fremd verändern kann. Korken hingegen verwendet man, wenn sich der Wein noch verändern darf – wie beim Rotwein, der noch Sauerstoffaustausch braucht." Schraubverschlüsse kommen bei sogenannten „Schnelldrehern" zum Einsatz, also Weinen, die in einem Jahr ausgetrunken sind. Das sind 85 Prozent der Weine der OWG, wie z. B. Portugieser Weißherbst oder Riesling trocken, aber auch klassische Weißweine wie Grauburgunder.
Text: Martina Emmerich
Fotos: Odenwälder Winzergenossenschaft